Beschluss:
1. Die Gemeinde Brunnthal erlässt eine Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe entsprechend dem Entwurf vom 13.01.2021. Der Entwurf ist Anlage der Gemeinderatsniederschrift.
2. Für den Erlass sind folgende Punkte maßgebend:
Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst a BayBO neu eröffnet Gemeinden die
Möglichkeit, das Abstandsflächenrecht abweichend von der gesetzlichen Regelung
zu gestalten, wenn dies die Erhaltung des Ortsbildes im Gemeindegebiet oder in
Teilen des Gemeindegebiets bezweckt oder der Verbesserung und Erhaltung der
Wohnqualität dient.
Nach der Rechtsprechung beschränkt sich die Regelungskompetenz des
Bauordnungsrechts bei der abweichenden Bestimmung von Abstandsflächen auf im
weiteren Sinne sicherheitsrechtliche Zielsetzungen. Abstandsflächen können zur
Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung der
Baugrundstücke, zur Sicherstellung von Flächen für Nebenanlagen, zur
Herstellung des Wohnfriedens und Sicherstellung des Brandschutzes abweichend
von den gesetzlichen Bestimmungen geregelt werden. In Bezug auf das Ortsbild
sind nur gebäudebezogene Regelungen zulässig, die sich mittelbar auf die
Gestaltung des Ortsbildes auswirken.
Die Satzung soll im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage maßgeblich
zur Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität erlassen werden.
lm Gemeindegebiet sind nach wie vor viele Bereiche nicht überplant
und beurteilen sich planungsrechtlich nach § 34 BauGB (insbesondere Waldbrunn,
Gudrunsiedlung, Kirchstockach). Dazu zählen auch viele Gebiete, die
ursprünglich durch Bebauungspläne überplant wurden, bei denen sich nachträglich
jedoch herausgestellt hat, dass sie aufgrund von Formfehlern nicht
rechtskräftig wurden.
Darüber hinaus sind in Bebauungsplänen zum Teil großzügige
Bauräume festgelegt (z.B. Waldstraße, Neukirchstockach; Jahnstraße, Brunnthal;
Föhrenstraße, Hofolding; Birkenstraße/Fichtenstraße, Hofolding; Waldsiedlung,
Faistenhaar). In diesen Bereichen wird der Abstand von Baukörpern zueinander im
Wesentlichen durch das Abstandsflächenrecht geregelt. Der hohe Siedlungsdruck
im Gemeindegebiet und die immer weiter steigenden Grundstückspreise werden
daher dazu führen, dass die Mindestmaße der gesetzlich festgelegten
Abstandsflächen weitestgehend ausgenutzt werden. Schon jetzt muss sich die
Gemeinde regelmäßig mit Bauvorhaben befassen, bei denen aus einem Grundstück
das Maximum an Baurecht herausgeholt werden soll. Dabei ist die Verwaltung mit
dem Unverständnis der Nachbarn konfrontiert. Bereits mit der aktuellen
Rechtslage bestehen nachbarliche Konfliktsituationen. Diese werden sich mit der
Änderung der BayBO verschärfen. Die Wohnqualität im Gemeindegebiet wird sich
nachteilig ändern. Eine deutliche Nachverdichtung wird nach Auffassung der
Gemeinde auch nachteilige Auswirkungen auf den Wohnfrieden haben.
Die Wohnqualität ist im Gemeindegebiet in vielen Bereichen durch
größere Abstände zwischen den Gebäuden geprägt. Gerade im Gemeindegebiet werden
Wohnformen angeboten, die im städtischen bzw. baulich verdichteten Raum nicht
bzw. nur noch selten anzutreffen sind. Das Wohnen ist geprägt durch Abstand zum
Nachbarn. Freibereiche um die Gebäude stellen insoweit einen wesentlichen
Bestandteil der Wohnqualität dar, insbesondere auch für Kinder. Die Gemeinde
möchte mit dieser Satzung die Wohnqualität, die durch größeren Abstand zwischen
den Gebäuden geprägt ist, erhalten und gegebenenfalls im Rahmen der Neubebauung
von Grundstücken verbessern. Dies führt auch zu einer Verbesserung von
Belichtung und Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke, gegebenenfalls auch
zu einer Verbesserung des Brandschutzes.
Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung der Abstandsflächen in
Art. 6 Abs. 5 BayBO neu die Untergrenze des zulässigen Gebäudeabstands
festgelegt. Die Gemeinde möchte für ihr Gemeindegebiet höhere Standards als vom
Gesetzgeber vorgesehen festlegen.
Gleichzeitig werden über größere Abstandsflächen auch notwendige
Flächen für Nebenanlagen gesichert. Der Bedarf an Flächen zur Unterbringung von
Gartengeräten, Spielgeräten für Kinder, von Fahrrädern und natürlich von Kfz
ist größer als in der Stadt. Viele Gemeindebürger sind durch die örtliche Lage
der Gemeinde für den Weg zur Arbeit auf private Kfz angewiesen. Durch die
Verlängerung der Abstandsflächen wird auch insoweit ausreichend Raum auf den
Baugrundstücken gesichert.
Die Gemeinde bezieht in ihre Überlegungen durchaus ein, dass der
Gesetzgeber mit der Abstandsflächenverkürzung eine lnnenverdichtung und einer
Verringerung der neuen Inanspruchnahme von Flächen beabsichtigt. Die Gemeinde
hält aber die Erhaltung und Verbesserung der Wohnqualität in ihrem
Gemeindegebiet für vorrangig. Dem Gebot der Innenverdichtung kann auch durch
ein höheres Maß baulicher Nutzung erreicht werden, etwa durch höhere Gebäude,
welche die Abstandsflächen einhalten. Dies hat die Gemeinde bereits
berücksichtigt (z.B. Linden-/Fichten-/Eichenstraße, Hofolding;
Geschosswohnungsbau Glonner Straße, Hofoldinger Straße, Brunnthal; Ayinger
Straße, Faistenhaar; Erhöhung der GFZ gegenüber früheren Bebauungsplänen) bzw.
wird die Gemeinde in ihren Planungen weiter berücksichtigen.
In Bezug auf den Geltungsbereich hat sich die Gemeinde dazu
entschieden, die abweichenden Abstandsflächen im gesamten Gemeindegebiet
anzuordnen. Zwar gibt es im Gemeindegebiet unterschiedliche Siedlungsstrukturen
und Bauweisen. Die eben genannten Ziele sollen aber generell im Gemeindegebiet
verfolgt werden und damit auch Grundlage der Abstandsflächenbemessung sein.
lm Einzelfall ist eine Korrektur über Abweichungen möglich. Für
die sich insbesondere unterscheidenden Gewerbe-, Kern- und klassenurbanen
Gebiete findet die Satzung ohnehin keine Anwendung.
Die Gemeinde ist sich auch bewusst, dass die Verlängerung der Abstandsflächen gegenüber der gleichzeitig in Kraft tretenden gesetzlichen Verkürzung derselben Auswirkungen auf die bauliche Ausnutzbarkeit von Grundstücken haben kann und damit auch Eigentümerinteressen nachteilig betroffen werden können. Die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Wohnqualität im Gemeindegebiet rechtfertigt indes mögliche Eigentumseinschränkungen.