Beschluss: zugestimmt

Abstimmung: Ja: 19, Nein: 0

Beschluss:

1. Die Gemeinde Brunnthal erlässt eine Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe entsprechend dem Entwurf vom 13.01.2021. Der Entwurf ist Anlage der Gemeinderatsniederschrift.

 

2. Für den Erlass sind folgende Punkte maßgebend:

Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst a BayBO neu eröffnet Gemeinden die Möglichkeit, das Abstandsflächenrecht abweichend von der gesetzlichen Regelung zu gestalten, wenn dies die Erhaltung des Ortsbildes im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebiets bezweckt oder der Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität dient.

 

Nach der Rechtsprechung beschränkt sich die Regelungskompetenz des Bauordnungsrechts bei der abweichenden Bestimmung von Abstandsflächen auf im weiteren Sinne sicherheitsrechtliche Zielsetzungen. Abstandsflächen können zur Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke, zur Sicherstellung von Flächen für Nebenanlagen, zur Herstellung des Wohnfriedens und Sicherstellung des Brandschutzes abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen geregelt werden. In Bezug auf das Ortsbild sind nur gebäudebezogene Regelungen zulässig, die sich mittelbar auf die Gestaltung des Ortsbildes auswirken.

 

Die Satzung soll im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage maßgeblich zur Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität erlassen werden.

 

lm Gemeindegebiet sind nach wie vor viele Bereiche nicht überplant und beurteilen sich planungsrechtlich nach § 34 BauGB (insbesondere Waldbrunn, Gudrunsiedlung, Kirchstockach). Dazu zählen auch viele Gebiete, die ursprünglich durch Bebauungspläne überplant wurden, bei denen sich nachträglich jedoch herausgestellt hat, dass sie aufgrund von Formfehlern nicht rechtskräftig wurden.

 

Darüber hinaus sind in Bebauungsplänen zum Teil großzügige Bauräume festgelegt (z.B. Waldstraße, Neukirchstockach; Jahnstraße, Brunnthal; Föhrenstraße, Hofolding; Birkenstraße/Fichtenstraße, Hofolding; Waldsiedlung, Faistenhaar). In diesen Bereichen wird der Abstand von Baukörpern zueinander im Wesentlichen durch das Abstandsflächenrecht geregelt. Der hohe Siedlungsdruck im Gemeindegebiet und die immer weiter steigenden Grundstückspreise werden daher dazu führen, dass die Mindestmaße der gesetzlich festgelegten Abstandsflächen weitestgehend ausgenutzt werden. Schon jetzt muss sich die Gemeinde regelmäßig mit Bauvorhaben befassen, bei denen aus einem Grundstück das Maximum an Baurecht herausgeholt werden soll. Dabei ist die Verwaltung mit dem Unverständnis der Nachbarn konfrontiert. Bereits mit der aktuellen Rechtslage bestehen nachbarliche Konfliktsituationen. Diese werden sich mit der Änderung der BayBO verschärfen. Die Wohnqualität im Gemeindegebiet wird sich nachteilig ändern. Eine deutliche Nachverdichtung wird nach Auffassung der Gemeinde auch nachteilige Auswirkungen auf den Wohnfrieden haben.

 

Die Wohnqualität ist im Gemeindegebiet in vielen Bereichen durch größere Abstände zwischen den Gebäuden geprägt. Gerade im Gemeindegebiet werden Wohnformen angeboten, die im städtischen bzw. baulich verdichteten Raum nicht bzw. nur noch selten anzutreffen sind. Das Wohnen ist geprägt durch Abstand zum Nachbarn. Freibereiche um die Gebäude stellen insoweit einen wesentlichen Bestandteil der Wohnqualität dar, insbesondere auch für Kinder. Die Gemeinde möchte mit dieser Satzung die Wohnqualität, die durch größeren Abstand zwischen den Gebäuden geprägt ist, erhalten und gegebenenfalls im Rahmen der Neubebauung von Grundstücken verbessern. Dies führt auch zu einer Verbesserung von Belichtung und Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke, gegebenenfalls auch zu einer Verbesserung des Brandschutzes.

 

Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung der Abstandsflächen in Art. 6 Abs. 5 BayBO neu die Untergrenze des zulässigen Gebäudeabstands festgelegt. Die Gemeinde möchte für ihr Gemeindegebiet höhere Standards als vom Gesetzgeber vorgesehen festlegen.

 

Gleichzeitig werden über größere Abstandsflächen auch notwendige Flächen für Nebenanlagen gesichert. Der Bedarf an Flächen zur Unterbringung von Gartengeräten, Spielgeräten für Kinder, von Fahrrädern und natürlich von Kfz ist größer als in der Stadt. Viele Gemeindebürger sind durch die örtliche Lage der Gemeinde für den Weg zur Arbeit auf private Kfz angewiesen. Durch die Verlängerung der Abstandsflächen wird auch insoweit ausreichend Raum auf den Baugrundstücken gesichert.

 

Die Gemeinde bezieht in ihre Überlegungen durchaus ein, dass der Gesetzgeber mit der Abstandsflächenverkürzung eine lnnenverdichtung und einer Verringerung der neuen Inanspruchnahme von Flächen beabsichtigt. Die Gemeinde hält aber die Erhaltung und Verbesserung der Wohnqualität in ihrem Gemeindegebiet für vorrangig. Dem Gebot der Innenverdichtung kann auch durch ein höheres Maß baulicher Nutzung erreicht werden, etwa durch höhere Gebäude, welche die Abstandsflächen einhalten. Dies hat die Gemeinde bereits berücksichtigt (z.B. Linden-/Fichten-/Eichenstraße, Hofolding; Geschosswohnungsbau Glonner Straße, Hofoldinger Straße, Brunnthal; Ayinger Straße, Faistenhaar; Erhöhung der GFZ gegenüber früheren Bebauungsplänen) bzw. wird die Gemeinde in ihren Planungen weiter berücksichtigen.

 

In Bezug auf den Geltungsbereich hat sich die Gemeinde dazu entschieden, die abweichenden Abstandsflächen im gesamten Gemeindegebiet anzuordnen. Zwar gibt es im Gemeindegebiet unterschiedliche Siedlungsstrukturen und Bauweisen. Die eben genannten Ziele sollen aber generell im Gemeindegebiet verfolgt werden und damit auch Grundlage der Abstandsflächenbemessung sein.

lm Einzelfall ist eine Korrektur über Abweichungen möglich. Für die sich insbesondere unterscheidenden Gewerbe-, Kern- und klassenurbanen Gebiete findet die Satzung ohnehin keine Anwendung.

 

Die Gemeinde ist sich auch bewusst, dass die Verlängerung der Abstandsflächen gegenüber der gleichzeitig in Kraft tretenden gesetzlichen Verkürzung derselben Auswirkungen auf die bauliche Ausnutzbarkeit von Grundstücken haben kann und damit auch Eigentümerinteressen nachteilig betroffen werden können. Die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Wohnqualität im Gemeindegebiet rechtfertigt indes mögliche Eigentumseinschränkungen.